Wenn Drogenpolitik mit Führerscheinentzug betrieben wird
Es scheint dringend erforderlich, dass sich rechtliche Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Verkehrssicherheit an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren.
Quelle: Presse
Der Konsum von Cannabis stellt trotz der Illegalität dieser Substanz kein Randphänomen in Österreich dar. Ein Blick in den aktuellen Drogenbericht zeigt, dass zumindest 30-40 Prozent der jungen Erwachsenen über Konsumerfahrung verfügen. Strafrechtlich drohen Konsumenten nur geringe Konsequenzen. So ist bei Konsumdelikten zwingend vorläufig von der Strafverfolgung durch die Staatsanwaltschaften zurückzutreten. Bei Ersttätern sieht der Gesetzgeber seit über einem Jahrzehnt auch keine Begutachtung durch die Gesundheitsbehörde zur Abklärung allfälliger gesundheitsbezogener Maßnahmen als Voraussetzung für die Verfahrenseinstellung für erforderlich an, wie dies etwa bei anderen Substanzen der Fall ist.
Im Straßenverkehrsrecht haben Betroffene hingegen massive Sanktionen zu erwarten. Unabhängig von der festgestellten THC-Konzentration im Blut, sieht der Gesetzgeber im Wesentlichen idente Rechtsfolgen wie für Hochpromilledelikte von über 1,6 Promille vor. Zur Wiedererlangung des Führerscheins sind die Beibringung einer verkehrspsychologischen und psychiatrischen Stellungnahme sowie eine amtsärztliche Untersuchung vorgeschrieben. Nach Absolvierung der Auflagen wird die Lenkberechtigung in Folge meist eingeschränkt und für zumindest ein Jahr befristet erteilt. In diesem Beobachtungszeitraum wird den Betroffenen regelmäßig ein Abstinenzgebot bescheidmäßig auferlegt. Der Nachweis der Abstinenz erfolgt durch Haar- oder Urinanalysen. Fällt ein Test geringfügig positiv aus, kann ein neuerlicher Führerscheinentzug drohen. Die Behördenpraxis ist österreichweit uneinheitlich. So bestimmt der Wohnort meist die Art der Auflage und „Strenge“ der Überwachung.
Bereits passiver Konsum (bspw. Passivrauchen auf einer Party) kann im Beobachtungszeitraum zum neuerlichen Führerscheinentzug führen. In amtsärztlichen Gutachten wird mitunter bereits der aufrechte Kontakt zu einem „drogenaffinen Umfeld“ als eignungsausschließend angesehen.
Wiedererlangung des Führerscheins ab 2500 Euro
Die Kosten eines Führerscheinentzugs wegen Cannabis sind beträchtlich. Sie belaufen sich auf rund 2500 Euro für Verwaltungsstrafe, Blutanalyse und beizubringende Stellungnahmen. Bei Probeführerscheinbesitzern kommen weitere 500 Euro für die Nachschulung hinzu. Weitere Kosten von zumindest 1000 Euro fallen für Abstinenznachweise an.
Während oftmals reflexartig die genannten Rechtsfolgen mit den Erfordernissen der Verkehrssicherheit argumentiert werden, bedarf es in der Praxis einer differenzierteren Betrachtung. Während zahlreiche Länder THC-Grenzwerte eingeführt haben, die sich meist zwischen ein und sechs Nanogramm bewegen, hat der VwGH in den letzten Jahren eine Art Null-Toleranz-Prinzip eingeführt. Die Entscheidungskompetenz liegt nach der StVO und der darauf fußenden Judikatur in Österreich primär beim Amtsarzt, der über die Fahrttauglichkeit entscheidet. Wird diese verneint und finden sich folglich im Blut auch nur geringste messbare Spuren an THC, drohen die vorhin genannten Rechtsfolgen. Nach der jüngsten Judikatur reichen bereits 0,5ng THC für die Strafbarkeit und Führerscheinentzug aus, wenn die regelmäßig festgestellte Übermüdung hinzutritt.
Anzumerken ist, dass sich der Mittelwert der auffälligen Lenker in Österreich bei etwa 2,7ng THC bewegt. Der Toxikologe Univ. Prof. Rainer Schmid verweist auf Forschungsergebnisse, nach denen bei Werten unter 3ng kaum statistisch messbaren Beeinträchtigungen vorliegen. Werte unterhalb von 3ng seien anhand von Studien an einem Fahrsimulator vergleichbar mit einer Alkoholisierung von ca. 0,1 Promille.
Mehr Kontrollen – mehr Führerscheinentzüge
Bei Suchtgiftdelikten handelt es ich um Kontrolldelikte. Angesichts der Verbreitung des Konsums und der langen Nachweisbarkeit von THC im Blut (bis zu 48 Stunden) haben sich die Führerscheinentzüge im Laufe des letzten Jahrzehnts mehr als verzehnfacht.
Während andere Länder Grenzwerte auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse festlegen, entscheiden in Österreich die Erfahrungswerte von Amtsärzten, ob jemand durch Suchtgift Übermüdung, Medikamente oder sonstiger Faktoren fahruntüchtig ist.
Zur Ablehnung eines Grenzwertes aufgrund der Illegalität von Cannabis ist festzuhalten, dass der VwGH in führerscheinrechtlicher Hinsicht den illegalen Umgang mit Drogen von der strafrechtlichen Verantwortlichkeit bereits seit über 20 Jahren trennt. Probier- und Gelegenheitskonsum ist in der Regel führerscheinrechtlich unbedenklich.
Statistisch zeigt sich, dass Alkoholdelikte abnehmen, während Cannabisdelikte zunehmen. Im Vergleich zu Cannabis ist der Gesetzgeber bei Alkohol liberal. Eine amtsärztliche Untersuchung samt Zuweisung zum Verkehrspsychologen ist erst ab 1,6 Promille oder Weigerung der Alkomattestung vorgesehen.
Wochenendkonsum – trotzdem Führerschein los
Probleme mit dem Führerschein können auch abseits des Lenkens eines Kfz drohen. Bereits ein aktenkundiger Konsum am Wochenende führt nach der Rechtsprechung des VwGH zu begründeten Bedenken an der gesundheitlichen Eignung. Das Führerscheinrecht sieht auch in diesen Fällen eine amtsärztliche Untersuchung und regelmäßig die Einschränkung/Befristung der Lenkberechtigung vor.
Es scheint dringend erforderlich, dass sich rechtliche Maßnahmen zur Erhaltung und Verbesserung der Verkehrssicherheit an wissenschaftlichen Erkenntnissen orientieren. Abzulehnen sind hingegen Sanktionen und Maßnahmen, welche nicht auf die Analyse von Unfallursachen und Unfallhäufungen zurückgehen, sondern gesellschaftspolitisch motiviert sind.
Wozu braucht man einen Anwalt?
Eine unterschriebene Aussage ist ein entscheidendes Beweismittel. Weicht der Beschuldigte später von der getätigten Aussage ab, wird ihm in der Regel kein Glauben mehr geschenkt.