Stellungnahme des ÖAMTC
Stellungnahme des ÖAMTC zum Entwurf eines Bundesgesetzes, mit dem die Straßenverkehrsordnung 1960 geändert wird (32. StVO-Novelle); (GZ. BMVIT-161.007/0001-IV/ST2/2019)
Quelle: Stellungnahme des ÖAMTC
Zusammenfassung
1. Ermächtigung für Fahrverbote betreffend Lkw ohne Abbiegeassistenten:
Der ÖAMTC befürwortet ausdrücklich die nunmehr beabsichtigte Ermächtigung der Behörde zur Erlassung von Abbiegeverboten. Allerdings erscheinen noch Nachbesserungen im Bereich der Kompetenzlage zweckmäßig.
2. Anhebung der Geschwindigkeitsbeschränkung für lärmarme Lkw:
Gegen eine Anhebung im angestrebten Ausmaß besteht vor dem Hintergrund des Umstandes, dass Lkw ganz allgemein bei etwa höheren Geschwindigkeiten ökonomischer betrieben werden können und sich die Änderung der Lärmimmissionen in wohl vertretbaren Grenzen halten wird, kein Einwand. Auch zu diesem Punkt sowie zu weiteren hier nicht genannten Bestimmungen wird keine detaillierte Stellungnahme abgegeben.
3. Änderung der Bestimmungen zu Drogen am Steuer:
(In diesem Punkt wird im Sinne der Geschlossenheit der Kommentierung auf detaillierte Anmerkungen zu den einzelnen Bestimmungen verzichtet)
Dem ÖAMTC ist bewusst, dass das Lenken in einem durch Drogen beeinträchtigten Zustand ein erhebliches, statistisch erwiesenes Unfallrisiko in Österreich darstellt. Jede Maßnahme, die diesbezüglich geeignet ist, die Verkehrssicherheit zu erhöhen, muss daher wohlwollend geprüft werden. Vor allem die Bemühungen durch Verbreiterung der Kontrolltätigkeit, die Vollziehung effizienter und treffsicherer als bisher zu gestalten sind daher nachvollziehbar. Vor dem Hintergrund von zu geringen verfügbaren Ressourcen im Bereich der Amts- (bzw subsidiär der Spitalsärzte) ergibt sich offenbar die Notwendigkeit der Einbeziehung besonders geschulter Polizeibeamter zum Erreichen einer Verbesserung der Überwachung.
Dem ÖAMTC erscheint aber die Abgrenzung zwischen illegalen und legalen (etwa im Rahmen einer medizinischen Therapie verschriebenen oder eingenommenen) Suchtmitteln in der Entwurfsfassung noch nicht scharf und verlässlich genug. Wir halten daher weitere Konkretisierungen (etwa mittels einer entsprechenden Verordnung) für erforderlich, um das Risiko von Fehlbeurteilungen zu verringern. Zu denken ist hier vor allem an Personen, die sich etwa in einer medizinisch indizierten und entsprechend begleiteten Therapie befinden.
Verschärft werden die Wirkungen der Regelung durch die schon jetzt bestehende Berechtigung zur Abnahme des Führerscheines bei bloßem Verdacht auf eine durch Suchtgift hervorgerufene Beeinträchtigung der Fahrtauglichkeit. Damit wird es auch viele Fälle eines legalen – weil medizinisch indizierten - Konsumes geben, wobei die Rechtmäßigkeit an Ort und Stelle nicht festgestellt werden kann. In derartigen Fällen kommt es schon jetzt zum sogenannten „kalten Entzug“ mit, aufgrund der langen Verfahrensund Abnahmedauer, oft existenzbedrohenden Folgen für die Betroffenen. Es sollte zumindest sicher gestellt werden, dass die Dauer für die Blut- und Harnanalysen möglichst kurz gehalten wird, um möglichst bald auch „Entwarnung“ geben zu können.
Für eine vollkommen überzogene Absicht hält der ÖAMTC aber die beabsichtigte Verdoppelung der Mindeststrafe (€ 1.600,-- statt € 800,--) und die Versechsfachung der Mindestentziehungsdauer der Lenkberechtigung.
Diese Anhebungen sind nicht erforderlich und damit auch sachlich nicht gerechtfertigt. Wenn der Gesetzgeber hinsichtlich der Grenze dafür „jedenfalls beeinträchtigt“ zu sein, beim Alkohol von einem Atemalkoholwert von 0,4 mg/Liter Atemluft bzw 0,8 Promille Blutalkoholgehalt ausgeht und dies mit den aktuellen Sanktionen belegt, besteht kein rechtspolitisch vertretbarer Grund, die untere Grenze für Sanktionen für eine Beeinträchtigung durch Suchtgift oder Suchtmittel auf einem anderen – deutlich höheren – Niveau anzusetzen.
Vielfach sind diese auf das Fahrzeug zum Erreichen der Arbeitsstätte, vor allem in den angesprochenen ländlichen Gebieten, angewiesen. Die Zahl der von dieser – eigentlich schon bisher bestehenden Rechtsschutzlücke betroffenen Personen – wird bei Intensivierung der Überwachung voraussichtlich nicht unerheblich steigen. Nicht zu vergessen sei die Erwähnung, dass sowohl im Fall einer massiven Beeinträchtigung als auch im Wiederholungsfall schon jetzt deutlich schwerere Sanktionen verhängt werden dürfen bzw müssen.
Zu den einzelnen Bestimmungen
Wie unter „Zusammenfassung“ erwähnt, entfällt eine detaillierte Stellungnahme zu den Ziffern 1 bis 13 des Entwurfes.
Z 14, Anfügung eines Abs 8 in § 43 (VO-Ermächtigung für Abbiegeverbote):
Der Entwurf dieses neuen Absatzes spricht davon, dass „zur Vermeidung des toten Winkels Rechtsabbiegeverbote erlassen [werden dürfen], sofern dies aufgrund der örtlichen oder verkehrsmäßigen Gegebenheiten nach dem Stand der Wissenschaft zur Erhöhung der Verkehrssicherheit oder aus anderen wichtigen Gründen geeignet erscheint“. Die Textierung „geeignet erscheint“ ist dem Grundmuster des § 43, der im Wesentlichen die „Erforderlichkeit“ einer behördlichen Maßnahme verlangt, eher fremd. Die Formulierung lehnt sich offenbar an § 20 Abs 2a idFd 19. StVO Novelle an, wobei dort aber „nur“ Geschwindigkeitsbeschränkungen (Fahren an sich ist erlaubt) geregelt werden, aber nicht Verkehrsbeschränkungen wie Fahrverbote (und sei es auch nur für eine Abbiegerelation), deren Tragweite mitunter deutlich über die Beschränkung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit hinausgeht.
Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang vor allem der letzte Satz, der die Behörde verpflichtet, „sofern dadurch der Zweck der Verordnung nicht gefährdet wird, [sind] einzelne Straßen, Straßenabschnitte oder Straßenarten vom Geltungsbereich der Verordnung auszunehmen“.
Dieser Widerspruch zwischen der einerseits weitreichenden Ermächtigung an sich und der der strengen Verpflichtung zur Einschränkung ist doch bemerkenswert: Damit muss dann doch jede einzelne Rechts-Abbiegerelation in einem Ortsteil bzw dem betroffenen Gebiet individuell geprüft (und begutachtet) werden, ob diese nicht von der Verpflichtung zur Ausnahme umfasst ist.
Dass Derartiges in Hinblick auf die hierfür erforderlichen SachverständigenGutachten die Gemeinden hinsichtlich der Kreuzungen von Gemeindestraßen überfordern dürfte, liegt wohl auf der Hand. Es bleibt auch offen, wer die Kosten zu tragen hat, wenn etwa von einer Gemeindestraße in eine Landesstraße (bzw umgekehrt) eingebogen werden soll und sich dem entsprechend „gemischte“ Zuständigkeiten ergeben.
Z 15., Ergänzung in § 94d, (Zuständigkeit für Verordnungen im eigenen Wirkungsbereich):
Die Ermächtigung soll dem Entwurf nach der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich zugewiesen werden.
Freilich ergibt sich aus Art 118 Abs 2 B-VG keine Beschränkung der inhaltlichen Zuständigkeit der Gemeinde im eigenen Wirkungsbereich für Angelegenheiten der örtlichen Verkehrspolizei.
Allerdings ist unseres Erachtens auch die in der Verfassung vorgesehene Beschreibung der Reichweite des eigenen Wirkungsbereiches einer Gemeinde zu beachten: Demnach umfasst er „alle Angelegenheiten, die im ausschließlichen oder überwiegenden Interesse der in der Gemeinde verkörperten örtlichen Gemeinschaft gelegen und geeignet sind, durch die Gemeinschaft innerhalb ihrer örtlichen Grenzen besorgt zu werden.(…)“.
Hier drängt sich die Frage auf, ob nicht die in Z 14 genannten Überlegungen im Zusammenhang mit drohenden finanziellen Belastungen mit – im Vergleich zu anderen Verkehrsmaßnahmen mitunter recht hohen – Kosten für Gutachten dazu führen müssten, diese Zuständigkeit nicht explizit den Gemeinden im eigenen Wirkungsbereich zuzuweisen sondern im Bereich der Vollziehung des Landes zu belassen.
Weitere Vorschläge:
Der ÖAMTC unterstützt einen Vorschlag der FSV, Arbeitskreis RVS Radverkehr, zur Änderung der Bestimmungen über das Befahren von Mehrzweckstreifen in der StVO 1960:
7a. lautet derzeit:
Mehrzweckstreifen: ein Radfahrstreifen oder ein Abschnitt eines Radfahrstreifens, der unter besonderer Rücksichtnahme auf die Radfahrer von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, wenn für diese der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Fahrstreifen nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist.
Seitens mehrerer Interessenvertretungen im Mobilitätsbereich und unterstützt von der FSV wird die Meinung vertreten, dass diese Bestimmung zwar in eine richtige Richtung weist, in Hinblick auf Weiterentwicklungen in den letzten Jahren aber etwas angepasst werden sollte.
Zu denken ist vor allem daran, dass der Querschnitt einer Fahrbahn nicht ausreicht, um jeweils Radverkehr und den Verkehr mehrspuriger Fahrzeuge auf der übrigen Fahrbahn konfliktfrei interagieren zu lassen.
Als Beispiel sei folgende Situation beschrieben: Auf einem relativ schmalen für den fließenden Verkehr bestimmten Teil einer ca 7 Meter breiten Fahrbahn sind zB 1,50 Meter Mehrzweckstreifen, 2,25 Meter „Rest-Fahrstreifen, nochmals 2,25 Meter Restfahrstreifen und 1,50 Meter Mehrzweckstreifen –ohne Längsparkstreifen - vorhanden. Daraus ergibt sich folgende Verkehrssituation: die Begegnung von zwei Pkw ist zwar entsprechend den Vorgaben der derzeit im Veröffentlichungsverfahren stehenden RVS 03.04.12 (Planung und Entwurf von Innerortsstraßen) und der Rechtsprechung zum Seitenabstand im Begegnungsverkehr mit einer Begegnungsgeschwindigkeit bis zu ca 30 km/h möglich, der Begegnungsfall mit einem breiteren Fahrzeug (etwa Bus oder Müllabfuhr udgl.) wäre aber dann nicht zulässig, wenn dieses nicht auf „seinen“ Mehrzweckstreifen ausweichen kann. In Hinblick auf die Intention der Förderung des Radverkehrs unter Bedachtnahme auf das Sicherheitsbedürfnis von radfahrenden Personen (im Begegnungsverkehr) wäre es wünschenswert, würden alle Fahrzeuge den daneben liegenden Mehrzweckstreifen benützen dürfen.
Wenn sich auf diesem kein Fahrrad befindet, könnte diese Begegnung mit adäquater Geschwindigkeit erfolgen und wäre keinerlei Nachteil für Verkehrssicherheit und andere Interessen mit diesem Manöver verbunden. Schon dieses Fahrmanöver lässt die StVO aber unserer Einschätzung nach derzeit nicht zu.
Manifest wird der Handlungsbedarf, wenn man als Beispiel einen Fahrbahnquerschnitt von zB 6,50 Metern annimmt, also links und rechts je 1,50 Meter Mehrzweckstreifen und 3,5 Meter „Kernfahrbahn“. Eine derartige Verkehrsorganisation käme für das untergeordnete Straßennetz durchaus in Betracht, kann aber derzeit wegen der zu geringen Kernfahrbahnbreite und der de facto-Unmöglichkeit eines dortigen Begegnungsverkehrs mehrspuriger Fahrzeuge nicht umgesetzt werden.
Noch deutlicher wird das Manko, wenn man den Empfehlungen der FSV folgend Mehrzweckstreifen in einer Breite von 1,75 oder sogar 2,00 Metern errichten würde. Die „Kernfahrbahn“ wird immer schmäler, ohne dass die Gesamt-Fahrfläche an sich verändert würde. Trotzdem wird der legale Begegnungsverkehr immer mehr erschwert und im Ergebnis nicht praktikabel. Der Vorschlag geht nun in die Richtung, die Bestimmung so zu ändern, dass die Benützung eines Mehrzweckstreifens auch dann zulässig sein soll, wenn die angrenzende Restfahrbahn für den übrigen fließenden Verkehr zu schmal ist. Damit kann etwa der Lenker eines mehrspurigen Fahrzeuges einem entgegen kommenden Radfahrer so ausweichen, dass mit ausreichendem Seitenabstand begegnet werden kann. Auch besteht die Möglichkeit, einem entgegen kommenden mehrspurigen Fahrzeug durch Auslenken auf den (sonst nicht benützten) Mehrzweckstreifen auszuweichen.
Der Vorschlag für eine Änderung des § 2 Z 7a lautet daher:
7a. Mehrzweckstreifen: ein Radfahrstreifen oder ein Abschnitt eines Radfahrstreifens, der unter besonderer Rücksichtnahme auf die Radfahrer von anderen Fahrzeugen befahren werden darf, wenn für diese der links an den Mehrzweckstreifen angrenzende Teil des nicht für den Radverkehr bestimmten Teiles der Fahrbahn nicht breit genug ist oder wenn das Befahren durch Richtungspfeile auf der Fahrbahn für das Einordnen zur Weiterfahrt angeordnet ist. In Erläuternden Bemerkungen könnte festgehalten werden, dass ein derartiges Verhalten, das insbesondere in Hinblick auf die gem § 3 Abs 1 gebotene Rücksichtnahme auf andere Straßenbenützer als zweckmäßig erscheint, zweifelsfrei für legal erklärt werden soll.
Mag. Martin Hoffer K&M, RD; Wien, am 24.5.2019
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Eine unterschriebene Aussage ist ein entscheidendes Beweismittel. Weicht der Beschuldigte später von der getätigten Aussage ab, wird ihm in der Regel kein Glauben mehr geschenkt.